Alexander Stiebling (29) tritt zum 1. Dezember 2020 in die Geschäftsführung des Familienunternehmens ein. Foto: Thomas Gödde / Funke Foto Service

Seit drei Generationen wird das Herner Traditionsunternehmen „Reifen Stiebling“ von der Familie geführt, jetzt folgt die vierte: Zum 1. Dezember 2020 beruft der geschäftsführende Gesellschafter Christian Stiebling (62, rechts) seinen Sohn Alexander (29) in die Geschäftsführung. „Wir haben eine klare Aufgabenteilung vereinbart, damit die Nachfolge so rund wie möglich laufen kann“, betont der Senior, der 1996 auf die gleiche Weise von seinem Vater Alfred mit der Führungsverantwortung vertraut gemacht wurde. Bei „Reifen Stiebling“ nimmt ein Generationen-Tandem Kurs auf die Zukunft

„Reifen Stiebling“ – dieser Name steht seit 1929 für ein wirtschaftlich erfolgreiches Familienunter-nehmen mit zwölf Filialen und ca. 200 Mitarbeitern im Ruhrgebiet und am Niederrhein. „Menschen mit Profil“ lautet der selbstbewusste Leitspruch des Dienstleisters. Für den Doppelpass mit seinem Vater stellte Alexander Stiebling frühzeitig die Weichen. Ein duales Bachelor-Studium in Hannover legte die Grundlage für die zukünftigen Führungsaufgaben, abgerundet wurde die Ausbildung durch Praktika bei Reifenherstellern im In- und Ausland sowie großen nationalen Reifenvermarktern.

Masterarbeit zur besonderen Rolle und Akzeptanz von Familienunternehmen
Ihre Spitze erreichte die Lernkurve mit einem viersemestrigen Masterstudiengang am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen an der Zeppelin-Universität. Mit einer Masterarbeit über die besondere Rolle und Akzeptanz von Familienunternehmen im Ein- und Verkauf erwarb Alexander Stiebling 2018 den „Executive Master for Family Entrepreneurship“, einen Abschluss, der als berufsbegleitender universitärer Masterstudiengang für Familienunternehmen einzigartig in Europa ist.

Fokus auf Digitalisierung, IT und Marketing
Kein Wunder also, dass sich der Junior in einem ersten Schritt hauptsächlich um Vertrieb, den Aufbau neuer Geschäftsmodelle, Digitalisierung, IT und Marketing kümmert. Der Senior widmet sich dem Personalmanagement und hält Kontakt zu Lieferanten. Christian Stiebling: „Diese Aufgabenteilung hat schon beim Übergang von meinem Vater zu mir sehr gut geklappt und eine extrem kreative Phase in unserem Unternehmen ausgelöst“. Er traue seinem Sohn die neue Position zu einhundert Prozent zu. Es sei ihm schon lange klar gewesen, dass Alexander in diese Richtung gehe, und er habe ihn nie in diese Position hineinschieben wollen. Nachdem der erste Schritt gelungen sei, sei er „völlig entspannt“: „Ich kann gut loslassen.“ Noch fünf Jahre will Stiebling seinen jungen Mit-Geschäftsführer in dem „schwierigen Prozess, in dem unsere Branche steckt“, begleiten und mit Ideen für Innovationen und Expansion unterstützen, denn „für beides habe ich bald hoffentlich mehr Zeit“.

Mit der Wippentheorie nach oben
Erste Erfolge, zukünftige Schwerpunkte und das, was auf jeden Fall bleibt: Fünf Fragen an Alexander Stiebling, ab 1. Dezember 2020 zweiter Geschäftsführer der „Reifen Stiebling GmbH“ in Herne

Herr Stiebling, sind Ihr Vater und Sie immer einer Meinung?
Alexander Stiebling: Nein, sicherlich nicht. Uns vereint in vielen Dingen eine sehr ähnliche Grund-haltung, zum Beispiel zum Thema Personal und der sozialen Verantwortung, die man als Unterneh-mer zweifellos hat. Wie sehr wir uns aber unterscheiden können, zeigte bereits eine meiner ersten Schritte im Unternehmen nach dem Masterstudium. Gegen den Wunsch meines Vaters übernahmen wir die Fahrzeugflotte eines mobilen Dienstes, der den Pkw-Reifenservice beim Kunden vor Ort ausführt, und bauten ihn mit Erfolg weiter aus. „Reifenwechsel bei Dir“ verfügt inzwischen über einen begeisterten Kundenstamm – die Fahrzeuge sind ständig ausgebucht. Heute sind wir hier einer Meinung: Die Entscheidung war genau richtig.

Welchen Weg muss der Reifenhandel gehen, um am Markt erfolgreich zu bleiben?
Wir müssen die riesigen Chancen, die die Digitalisierung bietet, mit größter Konsequenz verstehen und für uns nutzen. Digitalisierung ist keineswegs ein Hexenwerk, sondern ein entscheidendes In-strument, um die Zufriedenheit unserer Kunden weiter zu verbessern. Dazu gehört im ersten Schritt, die internen Prozesse und Abläufe mit Hilfe neuester Technologien deutlich effizienter zu gestalten. Dann brauchen wir eine Anbahnung des Geschäfts über alle Kanäle, persönlich und mobil. Wir müssen in der Lage sein, mit allen „Playern“ zukünftiger Mobilität zu arbeiten und zu kommunizieren. Das alleine ist eine Herkules-Aufgabe, die uns laufend vor neue Herausforderungen stellt. Ich bin überzeugt davon, dass wir unter Wahrung unserer Selbstständigkeit selbst eine führende Rolle im Service für die zukünftige Mobilität übernehmen können, zum Beispiel im Team mit anderen ambitionierten und freien Unternehmen unseres Marktes. Auch darin unterscheide ich mich von meinem Vater.

Was werden Sie von Ihrem Vater übernehmen?
In jedem Fall das soziale Engagement, das „Reifen Stiebling“ seit jeher auszeichnet. Soziales Handeln ist ein zentraler Eckpfeiler in der Beziehung zu unseren Mitarbeitern, aber auch zu Kunden und Lieferanten. Wir gehen mit unserer Hilfe dorthin, wo die Menschen sind. Natürlich erhöht dies alles auch den Bekanntheitsgrad unseres Unternehmens und hilft uns nach außen, was wiederum neue Kunden zu uns führt. Wir leben diese Haltung aber auch nach innen, denn unsere Mitarbeiter identifizieren sich mit unserem Tun und daher auch mit der Firma.

Was macht „Reifen Stiebling“ als Arbeitgeber besonders?
Nach innen sind es Werte wie Fairness, Transparenz und Verantwortung, die die Geschäftsführung den Mitarbeitenden vorlebt. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, Stromgutscheine, die Mitar-beiter vor dem jährlichen „Abrechnungsschock“ bewahren, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Firmenfeste und Jubiläumsfeiern. Entgegen dem Trend in der Branche gibt es bei „Reifen Stiebling“ kaum Kündigungen, was sicher auch daran liegt, dass jede und jeder Mitarbeitende merkt, wie wichtig sie oder er uns ist.

Gibt es schon Pläne, wie der Übergang vollzogen werden soll?
Wir planen die Übergabe mit einem Horizont von etwa fünf Jahren. Wir folgen damit einer Tradition, die schon für den Urgroßvater, den Großvater und den Vater galt. Mein Opa hat sie als Wippentheorie beschrieben: Zuerst saß der Vater oben, dann trafen sich Vater und Sohn in der Mitte, und als der Vater ging, saß der Sohn oben. Genauso machen wir es jetzt wieder.